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Katholische Landvolkbewegung im Landkreis Dachau
Glauben wie Abraham - Messiashoffnungen von Juden und Christen
Manfred Görg, Professor für Altes Testament an der Universität München
6.11.1997

Görg setzt sich überzeugend dafür ein, daß der christliche Glaube seine Wurzeln im Alten Testament hat. Diese Grundurkunde des jüdischen Glaubens enthält bleibende und gültige Gotteserfahrungen auch für uns Christen, die durch das Neue Testament nicht überholt sind. Neu und aufregend erschließt Görg das Alte Testament, wonach dessen messianische Erwartungen und Hoffnungen auf die endgültige Heilszeit eine heute noch gültige Botschaft für Christen sind. Dieses Glaubensbuch,vor allem die Gestalt des Abraham als bleibende Verbindung von Juden und Christen ist im Mittelpunkt des offenen Gesprächsabends gestanden:

Zur Zeit des Königs Hiskijas drohte Gefahr für Israel; sie kam von den Assyrern. Hiskijas verbündete sich mit Ägypten. Der Prophet Jesaja mahnte den König, er solle auf Gott vertrauen, sich in Gott festmachen, sich klammern an Gott mit allen Kräften, das sei die Chance zum Überleben. Ein biblischer Schriftsteller dieser Zeit nahm diese Notsituation zum Anlaß, aufgrund der bisherigen Geschichte Israels zu fragen, wo diese Mahnung Jesajas schon einmal in die Tat umgesetzt worden war. Im Tempel fand er Schriftstücke über die Geschichte Abrahams. Er führte diese Abrahamerzählung weiter, indem er ihn als einen Menschen darstellte, der sich in Gott festmacht.

siehe Genesis XVIII, 1-3
Abraham und die 3 Engel

Schon früher war über Abraham nachgedacht worden, in der frühen Königszeit Israels und zur Zeit der Reichsteilung. Vor allem Salomo war die Ursache dafür. Denn dieser krönte seine Auslandsbeziehungen mit der Heirat einer ägyptischen Prinzessin. Und damit wurde auch der ägyptische Kult von Salomo gepflegt. Ein Glaubensabfall, eine Provokation. Da sammelte der biblische Schriftsteller alles, was im Volk von Abraham, Isaak, Jakob, Sara, Rebekka und Rachel erzählt wurde. Er erinnerte an diese alten Erzählungen, wie Frauen die gleiche Würde wie Männer hatten und nicht, wie die ägyptische Prinzessin, z.B. dazu herabgewürdigt wurden, auswärtige Beziehungen abzusichern. Er führte Abraham vor, der im Land umherzieht, keinen Hofstaat hat, sich nicht aufplustert, keinen Tempel baut. So ein Mann wie Abraham ist eine Leitfigur, wie jeder Jude sein müßte: Gast auf Erden, mit Gott unterwegs; Abraham folgt dem Ruf Gottes, macht sich fest in Gott und geht in das unbekannte Land der Verheißung. Wenn wir so wären, meint der biblische Schriftsteller zur Zeit der frühen Könige und der Reichsteilung, ginge es dem Volk Israel besser.

Und so wird die Abrahamerzählung immer wieder neu überformt, sodaß er aus der Not der jeweiligen Zeit heraus zum Hoffnungsträger wird. So auch im 6. Jhdt., im Exil: Israel fragt sich: wieso ist das passiert, wie können wir das aushalten? Haben die Könige versagt, ha-ben wir uns zu sicher gefühlt, nicht an Gott geglaubt? Und wieder kommt die Erinnerung zurück auf Abraham. Er war einer der ihren. Der Sage nach kam er aus dem Osten; das hat man jetzt als Hoffnungsbild festgemacht; das Exilvolk Israel hat nun einen Ort in der Nähe als Ursprungsort Abrahams bezeichnet. So hat Israel eine neue Hoffnung aufgebaut: der ist doch auch von hier weggekommen, so gibt es auch für uns eine Chance. Auch in der Zeit Jesu war Israel unterwegs zu einer Gestalt, die Hoffnungsträger in Not und Bedrängnis war. Zu dieser Messiaserwartung, in diesen Glauben an eine kommende Heilszeit hinein trat Jesus auf. Schon sein Name ( Jesus, gleichbedeutend mit Josua, Jeschua = Jahwe rettet) war für gläubige Ohren eine Erinnerung an die Heilszeit, nämlich die Landverteilung unter Josua oder die Rückkehr aus dem Exil unter Jeschua. Jesus hat die Sehnsucht der Juden nach Hoffnung und Orientierung aufgenommen, er hat sie wieder an den Glauben Abrahams erinnert: sich festmachen in Gott. Deshalb war er eine messianische Gestalt, ein Hoffnungsträger, der die Hoffnung auf eine kommende Heilszeit gerichtet hat. Und da sind auch wir Christen noch im Wartestand auf den kommenden Messias, der die Züge dieses Jesus trägt.Wir sind nicht im Besitz, wir hoffen. Aber Gott wird sich vor-behalten, wie er seinen Boten, die endgültige Heilszeit senden wird. So hoffen und glauben Juden und Christen miteinander im Wartestand. Jesus ist der Prophet, der die Tür öffnet, aber die Erfüllung ist noch nicht da; er trägt die Hoffnung wie Abraham. Von ihm wollte sich Jesus nicht abgrenzen. Im Gegenteil, er wollte die Erinnerung an ihn aufnehmen und die Thora erfüllen. Die Thora war für Jesus Lebenshilfe, Frohe Botschaft für ein gelingen-des Leben. Und sie zu erneuern, war sein Anliegen.

Abraham ist eine Gestalt, die mit Israel gewachsen ist nach den Hoffnungen und Nöten der Zeit: Die biblischen Schriftsteller nehmen aus der Erinnerung die Figur des Abraham und formen an ihm eine Leitfigur, die Licht im Dunkel der Zeit ist. Und so weckt auch in uns die Kraft der Erinnerung Leben, das über Ort und Zeit hinwegträgt. Diesem Lebendigwer-den kann der physische Tod nichts anhaben. Die Erinnerung an Abraham wie an Jesus ist für uns ein Zeugnis, daß Gott uns auch im Dunkeln in die Heilszeit trägt. Diese Hoffnung auf die Heilszeit ist Juden und Christen gemeinsam.

Bericht Alois Igelspacher