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Maiandacht 1996
am Sonntag, 12.Mai 1996 in der Basilika am Petersberg
Begleitung durch den Chor von Erdweg

Lied: GL 573, Strophen 1 und 5

Begrüßung
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freunde im Katholischen Landvolk, Wir freuen uns, daß Sie da sind zu unserer Maiandacht in der Petersberg-Basilika. Durch die Maiandacht begleitet uns der Chor von Erdweg. Dankschön dafür. Wir beginnen diese Maiandacht im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Lied: Ein Zeichen der Hoffnung (Kehrvers alle)

Einführung
Am Anfang des Samuelbuches und des Lukasevangeliums verkünden Frauen das Programm eines künftigen Reiches. Bei Samuel geht es um das kommende Königreich Israel, bei Lukas um das Reich Gottes. Die gute Nachricht vom Reich Gottes ist keine Vertröstung auf ein fernes Jenseits, es ist die Botschaft vom hoffnungsvollen Zustand auf Erden, wenn die Armen nicht mehr länger arm sind, die Hungernden gesättigt sind, die Unterdrückten nicht mehr länger im Elend leben. Dieses Reich fangt schon jetzt mitten unter uns an, wenn wir uns von dieser Botschaft anstecken lassen.

Frauen, die nach damaligem Recht keine eigene Stimme haben, kein Gehör in der Öffentlichkeit haben, die keine Botschaft verkünden können, sie werden von Gott gerufen, diese neue Botschaft anzukündigen. Die Verfasser des Samuelbuches und des Lukasevangeliums stellen bewußt Frauen an den Beginn, um zu zeigen, daß im Reich Gottes eine neue Ordnung gilt, in der alle Menschen gleiches Recht und gleiche Würde haben.


Madonna auf dem Petersberg

Lesung
aus dem ersten Buch Samuel, 2, 1 Hanna betete. Sie sagte: Mein Herz ist voll Freude über den Herrn, große Kraft gibt mir der Herr. Weit öffnet sich mein Mund gegen meine Feinde; denn ich freue mich über deine Hilfe. Der Bogen der Helden wird zerbrochen, die Wankenden aber gürten sich mit Kraft. Die Satten verdingen sich um Brot, doch die Hungrigen können feiern für immer. Die Unfruchtbare bekommt sieben Kinder, doch die Kinderreiche welkt dahin. Der Herr macht arm und macht reich, er erniedrigt, und er erhöht. Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt; er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen, einen Ehrenplatz weist er ihm zu. Ja, dem Herrn gehören die Pfeiler der Erde; auf sie hat er den Erdkreis gegründet. Er behütet die Schritte seiner Frommen, doch die Frevler verstummen in der Fionsternis; denn der Mensch ist nicht stark aus eigener Kraft.

Halleluja-Ruf mit Gemeinde (Taize)

Aus dem Evangelium nach Lukas, 1, 46 - 55
Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinen Armen machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

Einleitung zum Vater unser
Der Verfasser des Lukasevangeliums greift das Lied der Hanna aus dem Alten Testament auf und legt es Maria in den Mund. In wenigen Worten stellt es die Botschaft vom Reich Gottes vor, die Jesus verkünden, leben und sterben wird. Diese Botschaft ist zusammengefaßt in dem Gebet, das Jesus selbst uns zu beten gelehrt hat: Vater unser . . gesungen (alle)

Betrachtung
Unsere Art zu wirtschaften erzeugt zur gleichen Zeit Reichtum und Armut. Je mehr die armen Nationen versuchen,unseren wirtschaftlichen Standard zu erreichen, umso ärmer werden sie. Unser System ist wettbewerbsorientiert, doch haben nicht alle die gleichen Chancen. Je mehr man hat, umso mehr kann man unternehmen, je mehr man unternehmen kann, desto weniger bleibt für jene, die nicht genug haben, um im Wettbewerb mitzuhalten. Ein Teufelskreis, in dem die Armen die Verlierer sind. Unser System kann mehr und mehr Reichtum produzieren, aber es kann nicht das Lebensnotwendige, das tägliche Brot, gleichmäßig und gerecht verteilen. Da darf die Kirche nicht auf eine ferne Zukunft in einer übernatürlichen Welt vertrösten, sondern sie muß sich um den Zustand der Menschen in unserer gegenwärtigen Welt kümmern. Das Streben nach Reichtum und das Streben nach dem Reich Gottes sind unvereinbare Gegensätze. Jesu Aussagen über Geld und Besitz werden meist als die härtesten Aussagen des Evangeliums überhaupt betrachtet. Die erstaunlichste Aussage Jesu über das Reich Gottes ist nicht, daß es nahe ist, sondern daß es das Reich der Armen sein wird. Die Reichen werden, so lange sie reich bleiben, keine Heimat in ihm haben. Es bräuchte ein Wunder, damit ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Und das Wunder wäre, daß er seinen Reichtum aufgibt. Das ist mehr als bloßes Almosengeben. Das ist Teilen, seinen Überfluß weggeben. Jesus idealisiert die Armut nicht. Sein Anliegen ist im Gegenteil , daß niemand in Not sein soll. Jeder soll so viel haben, wie er zu einem menschenwürdigen Leben braucht. Und deshalb bekämpft er die Besitzgier derer, die mehr haben als sie brauchen

Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen Die Gierigen läßt er leer ausgehen. Vor lauter Gier füllen sie die Scheunen und bauen neue Scheunen und stopfen hinein, was sie zusammenraffen können mit ihren gierigen Händen, mit ihren gierigen Augen, mit ihren gierigen Herzen. Die Scheunen sind voll, die Herzen leer. Sie gehen leer aus. Die Erben reiben sich vergnügt die Hände. Die Gierigen läßt er leer ausgehen. Die Hungernden aber erfüllt er mit seinen Gaben. Die das Brot noch als Wunder erleben, die sich freuen können auch über kleinste Geschenke: sie erleben die Welt voll von den Geschenken Gottes. Die Gierigen, die Reichen, läßt er leer ausgehen. Wahrhaftig, eher geht ein Kamel durch ein Nadelör, als daß ein Gieriger, ein Reicher, ein Stückchen Himmel auf Erden erlebt.

Lied: Alle Knospen springen auf, 3. und 4. Strophe

Betrachtung
Jesus wandte seine Aufmerksamkeit nicht den Angesehenen zu, sondern den Armen, Blinden, Lahmen, Aussätzigen, Sündern, Besessenen. Er liebte die Verfolgten, Zertretenen, die mühselig und beladen sind. Das ist der Pöbel, sagten die Angesehenen. Das sind die Kinder des Hauses Israel, sagte Jesus. Viel lesen wir in den Geschichtsbüchern über die Mächtigen und ihre Armeen, und ziemlich wenig lesen wir über die unsäglichen Leiden der Menschen, die die glorreichen Schlachten der Herrscher aushalten mussten. Jesus mischte sich unter die Niedrigen. Er hatte Mitleid mit ihnen. Er widersprach denen, die Rang und Prestige hatten. Für ihn gehörten Rangordnungen zu den Strukturen des Bösen in der Welt. Im Reich Gottes sollten solche Unterschiede keine Bedeutung mehr haben.

Wir sollen uns nicht um Ehre und Prestige sorgen, sondern der Gemeinschaft dienen. Nicht Rang und Prestige, sondern Menschlichkeit will Jesus von uns. Ein Zeichen, wie Jesus Menschen wichtiger nahm als gesellschaftliche Rangordnungen, ist seine Haltung gegenüber Frauen. Sie zählten nicht, sie konnten nicht Jüngerin oder Schriftgelehrte sein. Jesus ragt aus seiner Zeit heraus als jemand, der Frauen gleichen Wert und gleiche Würde beimaß wie Männern. Sie waren seine Schwestern und Mütter. In seinen Augen hatte Maria von Bethanien den besseren Teil gewählt, weil sie als Jüngerin zu seinen Füßen saß, statt das den Männern zu überlassen. Sein Versprechen, die Niedrigen zu erhöhen, ist kein Versprechen über zukünftiges Prestige. Es ist das Versprechen, daß die Niedrigen die volle Anerkennung als Menschen erhalten werden. Im Reich Gottes nehmen nicht die Unterdrückten die Plätze der Herrschenden ein, sondern hier stellen sich Menschen in den Dienst von Menschen. Das ist eine radikal andere Gesellschaft, in der es keine Trennung zwischen Minderen und Besseren gibt. Wer nicht leben kann, ohne sich höher und wichtiger zu fühlen, schließt sich selbst vom Reich Gottes aus.

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten, er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.

  Wer aufgeblasen ist,
wer nur sich für tüchtig hält,
wer alles selbst und alleine machen will,
wer sich nicht beschenken läßt,
weil er sich nicht anvertraut,
weil er anderen nichts zutraut,
den braucht man nur sich selbst zu überlassen -
mehr nicht!
Solche Hochmütigen, die sich über andere erheben,
die auf andere von oben herabsehen,
die zerstreuen sich von selbst!
Zu denen mag auch keiner mehr aufsehen:
sie erregen kein Aufsehen mehr,
sie erleben ihre Niederlagen - schneller als ihnen lieb ist.
Jeder andere aber,
offen für Gott und für die Mitmenschen,
jeder, der weiß:
das Schönste und Wichtigste im Leben
kann ich nicht machen, es wird mir geschenkt,
jeder, der das weiß und danach lebt,
der erlebt die Großtaten Gottes
oft in den kleinsten Dingen
und weiß sich beschenkt und ist glücklich.

Lied: Taize-Magnificat

Betrachtung
Wir kennen die Solidarität einer Gruppe, die fest in sich geschlossen ist. Schlimm für den, der draußen steht. Das Reich Gottes gründet auf der Solidarität aller Menschen. Jesus hebt den Widerspruch auf zwischen Nächsten und Feinden, zwischen Außenseitern und Dazugehörenden. Er behandelt jeden, der in sein Leben eintritt so, daß niemand ausgeschlossen wird. Darum stellt er sich auf die Seite der Armen und Unterdrückten, auf die Seite derer, die von anderen ausgeschlossen werden. Im Reich Gottes lassen sich alle zusammen mit Abraham, Isaak und Jakob zu einem großen Festmahl nieder.

Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,
das er unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.

 

Oft erscheint es anders,
auf den ersten Blick jedenfalls:
Er läßt Israel, seinen Knecht, im Stich,
und auch die, die auf ihn Hoffen,
die seine Worte nicht als leere Versprechungen erleben möchten.
Wie oft fragen Menschen:
"Wo ist denn Gott?"
"Warum läßt er das zu?"
"Warum greift er nicht ein?"
Läßt Gott die Seinen im Stich?
Maria - und mit ihr die junge Kirche - singt vom Gegenteil,
obwohl sie das Heil auch noch nicht mit Händen greifen kann.
Das neue Leben ist in ihr, der Schwangeren, noch verborgen, aber da!
Das Heil ist in der kleinen Herde der jungen Kirche noch verborgen, aber da!
Es ist da als Keim, nicht als Frucht.
So klein fängt das Heil an!
Nur die Augen des Glaubens sehen es.
Nur die Ohren des Glaubens erlauschen es.
Nur die Hände des Glaubens ertasten es.
Maria hat die Gabe des Glaubens,
im Keim die Frucht schon zu sehen.
Darum singt sie ein Lied,
als freudige Antwort auf den Anfang des Heiles,
des Versprochenen Heiles, in ihr.


Im Wechsel mit der Gemeinde Psalm 147, GL 760 (beten)

Chor: Freu dich du Himmelskönigin

Schlußgedanke
Die Geschichte von dem jungen Juden, dessen Lebensprogramm von Maria im Magnificat angekündigt wird, ist keine liebliche Geschichte. Es ist eine Geschichte gegen Prestige und Macht, gegen Geld, gegen Ausgrenzung, eine Geschichte, die in einem grausamen Tod endet. Nein, nicht endet, sondern unter uns fortlebt, fortlebt wenn wir mit dieser Botschaft in unserem Leben ernst machen, uns einsetzen für die Armen, für die Mühseligen und Beladenen, für die Ausgegrenzten. Jesus ist durch sein Schicksal solidarisch mit uns in Freud und Leid, im Sterben und in der Auferstehung. Dadurch ist Jesus die Kraft unseres Lebens, die wir gerade im Mai besonders spüren und in der Maiandacht zum Ausdruck bringen. Gerne schließen wir uns Maria an, die im Magnificat sagt: "Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter."

Lied: Ave Maria (Kanon)

Verabschiedung und Segen

  Liebe Schwestern und Brüder, wir wünschen Euch einen guten Heimweg,
und daß die gute Nachricht vom Reich Gottes in unserem täglichen Leben mehr und mehr praktische Wirklichkeit wird.
Gott, der voller Liebe wie eine Mutter und gut wie ein Vater ist,
der uns erschaffen hat, damit wir für einander da sind,
er umarme uns in unserer Angst,
er tröste uns in unserem Leid,
er erwärme uns durch seinen Blick,
er lasse unser Leben gedeihen,
er lasse unsere Hoffnung erblühen,
er lasse unsere Früchte reifen.
Das gebe uns Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen

Lied: Chor