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Emmausgang 1999 
am 5.April 1999 von Rudelzhofen nach Schönbrunn


------ Predigt ------

Mit unsrem Wissen über Gott sind wir schnell am Ende; im Verhältnis zu Gott geht es auch nicht um Wissen, sondern um Glauben- und d.h. sich festmachen in Gott.

Die Bibel ist ein ganzes Buch voll von unterschiedlichen Glaubenserfahrungen der Menschen mit Gott. Und mit jedem Menschen gibt es eigentlich neue Glaubens-erfahrung. Und weil Auferstehung ganz intensiv mit Gott, mit dem sich festmachen in Gott zu tun hat, bringt die Bibel auch eine ganze Anzahl von Auferstehungs-Erfahrungen - Bilder, Erzählungen, die viel mehr sagen können, als das enge Wort. Eine Erzählung wird nur lebendig, wenn wir eigene Lebenserfahrung darin entdecken, wenn wir in der Erzählung ein Stück von unserem Leben wiederfinden.

Für viele liegt das Problem darin, daß es heute keine Ostererfahrung gibt, wie sie in der Bibel dem Wortlaut nach geschildert ist. Keinem von uns hat sich Jesus je gezeigt. Ist also die Auferstehung von damals heute noch erfahrbar? Wenn wir keine vergleichbaren Erfahrungen haben, wie sollen wir glauben? Vielleicht spiegelt der heutige Text eigene Lebenserfahrung wieder, die zur Auferstehungserfahrung werden kann, wenn wir uns von der Erzählung einfangen lassen.


Auferstehung von Fra Angelico

Eigentlich beginnt dieAuferstehungserzählung über Jesus schon mit seinem Namen: Jahwe rettet. Die österlichen Auferstehungserzählungen beginnen am Kreuz. Soldaten gehen zu Jesus und stoßen dem Toten eine Lanze in die Seite- und heraus kommen Blut und Wasser. Wer hier medizinisch denkt, hat eigentlich das Geheimnis dieser Geschichte schon versäumt. Denn Blut und Wasser sind uralte biblische Zeichen für Leben. Dort wo Menschen den Tod, das Scheitern, die Kathastrophe vermuten, bricht neues Leben hervor. Aber vielleicht bringt man seine eigene Lebensgeschichte in so einer knappen Aussage nicht unter. Deshalb helfen uns die Ostererzählungen noch mit viel mehr Bildern, damit wir auf dem Hintergrund der eigenen Lebenserfahrung Auferstehung erfahren. So mit der Geschichte der Frauen am Grab. Man muß die Geschichte langsam angehen: Da ist der Stein - die Sache mit Jesus ist zu Ende, versiegelt und begraben. Auch das gibt es in unserem Leben: eine Krankheit trifft uns, eine Beziehung zerbricht, eine berufliche Laufbahn bricht ab - und plötzlich ist etwas, das das Leben ausgefüllt hat, Hoffnung, Zukunft, Lebensfreude am Ende. Ein schwerer Stein liegt vor uns, der jeden weiteren Weg verbaut; so fragen auch die Frauen: "Wer wälzt uns den schweren Stein weg?" Aber eigentlich sind sie dabei ohne Hoffnung, sie kommen ja nur zur Totensalbung. Vielleicht hat es mancher schon erfahren, wenn man dort hingeht, wo die Hoffnung, die Lebenszuversicht begraben sind, daß sich plötzlich etwas ändert, daß das Leben weiter geht. Aber es geht oft ganz überraschend in anderer Weise weiter als wir denken


Roll-Grabstein in Israel
Der Stein ist weg: aber auch das ist für die Frauen noch keine Lösung, denn hinter dem Stein ist das Grab. Der weggewälzte Stein hilft also nichts; es bleibt das Ende der Hoffnung. Die Frauen wundern sich auch gar nicht, daß der Stein weg ist. Jetzt erst, als sie hinter den Stein schauen, sozusagen hinter das Ende ihrer Hoffnung, kommt das Unerwartete, die Botschaft Gottes trifft sie. In den Worten der Bibel sitzt ein Engel zur Rechten. Wir sollten nicht vordergründig am Bild des Engels hängenbleiben, sondern die Botschaft ist das entscheidende: Daß Gott an der Grenze zur Tostlosigkeit Hoffnung bereit hält. Er ist nicht hier, sagt Gott, eine Lebender ist nicht im Grab: Das ist kein neutraler, gerichtsfester Beweis, sondern eine Verkündigung, eine Botschaft Gottes.

Die Bibel ist hier ganz zurückhaltend, sie beschreibt keine Auferstehung. Niemand hat eine Auferstehung gesehen, sie wird nicht direkt beschrieben. Den biblischen Schriftstellern ist klar, daß die neue Welt Gottes so völlig andersartig ist, daß sie nicht beschrieben werden kann. Sie bleibt Gottes Geheimnis. Deshalb geben die Evangelien-Erzählungen keinen Beweis, kein gerichtliches Tatsachenprotokoll, sondern Erfahrungshilfen, damit wir auf dem Hintergrund unserer eigenen Lebenserfahrung zu gleichen Auferstehungserfahrungen kommen können. Sucht den Lebenden nicht unter den Toten: bleibt nicht dort stehen, wo Eure Hoffnung zu Ende gegangen ist. Bohrt nicht immer mit Euren Fragen dort hinein, wo keine Antwort kommt: warum ist es so gekommen, warum ich, warum jetzt, warum auch das noch? Starrt nicht auf den schweren Stein, starrt nicht auf das leere Grab. Das Bild vom leeren Grab heißt also nichts anderes als: geht weg von hier, hier geht das Leben nicht weiter. Aber die Botschaft Gottes, die die Frauen trifft, gibt dazu noch eine Weisung, die weiterführt: Geht nach Galiläa. D.h. geht dort hin, wo alles begonnen hat. Denkt nach, erinnert euch. Geht zurück an den Anfang. Lebt diese Geschichte nochmals durch, und ihr werdet sehen, daß bei Gott nichts verloren und vergeblich ist, nicht die Lebensgeschichte Jesu und nicht die eigene Lebensgeschichte. Das Leben setzt sich gegen Steine und Gräber durch. Wie Gottes Gegenwart nicht aufhört, wenn wir schlafen oder träumen, so auch nicht im Tod. Unsere Lebensgeschichte fällt nicht aus Gott heraus. Geht also dorthin, wo eure Lebenshoffnung begonnen hat, zurück an den Anfang, mitten hinein ins Leben. Die Bibel verspricht aber damit keinen billigen vorschnellen Trost, sondern zeigt, daß eine neue Lebenshoffnung nicht so einfach in den Schoß fällt. Denn im Morgengrauen geschieht das ganze, wenn also die Konturen noch unscharf sind. Wenn wir uns also auf diese Botschaft einlassen, wird uns erst nach und nach alles deutlicher.

Wer nachts schon je einmal zu einer Wanderung aufgebrochen ist, weiß, was es bedeutet, wenn sich erst allmählich mit steigender Sonne die Konturen im Gelände abzeichnen und der Fuß zuerst mühsam und dann immer sicherer auftritt. So ist auch hier der Sinn des Morgengrauens zu verstehen: Die Bibel will uns trösten, wenn die Auferstehungshoffnung in uns nur langsam Konturen gewinnt, nur langsam wächst. Eine ehrliche Anwort der Bibel, denn Lebenserfahrung wächst und reift oft langsam, da braucht es Geduld. Die Frauen erschrecken. Immer wenn die Bibel von erschrecken spricht, reißt Gott Menschen aus ihrem Gewohnten heraus. Vielleicht ist es auch bequem, sich seiner Hoffnungslosigkeit hinzugeben und wie tot zu sein. Gott ruft uns durch seine Botschaft aus der Lethargie, der Verzweiflung heraus. Herausgerissen werden, einen neuen Weg einschlagen, der uns umgestaltet, auch das führt zu Auferstehungerfahrungen. Die Frauen fliehen und zittern. Eigentlich ist es eine normale Reaktion, daß wir gern vor dem Risiko davonlaufen, das unser Leben verändert.

Der biblische Erzähler hat viel Verständnis für unsere menschliche Schwäche, daß wir so schwer Vertrauen fassen, wenn es auf einen Weg ins Unbekannte geht. Es ist nicht leicht: Vertrauen auf die Botschaft Gottes, der uns keine Bankbürgschaft in die Hand gibt, sondern uns einfach losschickt durchs Leben. Aber fürchtet euch nicht, heißt die Botschaft, er geht euch voraus. Also sucht den Lebenden bei den Lebenden, geht mitten hinein ins Leben, dort werdet ihr ihn sehen, dort werdet ihr die Auferstehung erleben. Und dann schweigen die Frauen, warum eigentlich? Alles kommt unerwartet, unerklärbar. Das Schweigen ist nichts anderes als das Motiv des Zweifels. Wird dies alles zu neuem Leben führen? Diese Bibelstelle geht also sehr liebevoll mit uns modernen Menschen um, die wir uns schwer tun mit der Auferstehung. Das unscharfe Morgengrauen, erschrecken, fliehen, schweigen: Wir dürfen unsere Ängste und unsere Zweifel aussprechen und annehmen, wir dürfen darauf vertrauen, daß doch die Auferstehung in uns wächst, so wie in der Morgendämmerung allmählich die Konturen zunehmen. Aber die Bibel gibt uns dazu auch den Rat, aufzubrechen aus dem Gewohnten, an den Anfang zurückzukehren, auch an den biblischen Anfang. Denn Auferstehungsglaube ist die letzte Konsequenz des Schöpfungsglaubens. Nichts fällt aus Gottes Kraft heraus. Die Flucht vor dem Grab und das Schweigen bedeuten: dort ist nicht nachzufragen, Glaubenserfahrung, Auferstehungserfahrung gibt es erst in der Jüngergemeinde. Erst die Erfahrung in der Gemeinschaft läßt Trauernde und Zweifelnde zum Glauben kommen. Wo wir einander zum Leben ermutigen, wird Ostern glaubwürdig.

Noch etwas meint das leere Grab: es geht um kein spirituelles Ereignis, nicht um einen losgelösten seelischen Vorgang, um etwas verinnerlichtes, ideelles, gedachtes, sondern um konkrete handfeste Lebenswirklichkeit. Das soll aber auch nicht materialistisch-leiblich verstanden werden wie etwas greifbares. Diese leibliche Auferstehung bedeutet, daß Gottes Ja zu Schöpfung auch sein Ja zur Leiblichkeit ist. Im Leib erfahren wir diese Welt, Schmerz, Freude, Verbindung mit der Welt, mit den Mitmenschen. Diese handfeste Erfahrung unserer Leiblichkeit fällt nicht aus Gott heraus.

Was wir in diesem Leben an Liebe und Freude erfahren haben und gegeben haben, ist gültige Auferstehungshoffnung. Oder wie Görg sagt: Gott ist nicht ein Gott des Jenseits, in das er sich zurückzieht, sondern er ist immer in dieser Welt verhaftet als Gott des Lebens. Gott tritt unbedingt für das Leben ein. Und je mehr wir in dieser Welt Leben spüren und uns für das Leben einsetzen, umso mehr wird unsere Lebenserfahrung zur Auferstehungserfahrung, umso mehr erfahren wir, daß wir mit unserer ganzen Lebensgeschichte von Gott festgehalten werden. Das Leben Gottes aber ist unerschöpflich. Und darum sagt auch der alttestamentliche Prophet Amos über Jahwe: "Sucht mich, und ihr lebt."

. . . .Bericht über den Emmausgang 1999