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Jahresthema
1990:
Kirche im Umbruch ?
1.
Glaubensvermittlung heute - Herausforderung
der Kirche ?
Referent: Weihbischof
Siebler
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Eine Diskussion zwischen Weihbischof Siebler und der
Katholischen Landvolkbewegung
Bericht der Süddeutschen
Zeitung vom 6.2.1990 Von Petra Scheiblich
Arnbach - "Wahrscheinlich
sind wir wirklich einfach zu lange von oben versorgt worden": Allgemeines
Kopfnicken ging durch den Saal im Arnbacher Pfarrhof, als nach zweieinhalbstündiger
Diskussion dieses Fazit ausgesprochen wurde. "Glaubensvermittlung heute
- Herausforderung der Kirche" - das Thema des ersten Abends der Arnbacher
Gespräche erwies sich als ein weites und schwieriges Feld.
Eines allerdings wurde schnell
deutlich: Glaubensvermittlung kann längst nicht mehr nur Aufgabe
des jeweiligen Priesters sein. Diese Auffassung vertrat auch Weihbischof
Engelbert Siebler, der Gast dieses Abends Viel Grundsätzliches
wurde bei der Veranstaltung von den zahlreichen Diskussionsteilnehmern
angesprochen. Fragen wie: "Wer ist die Kirche, was macht sie aus, wovon
lebt sie? "Die Kirche ist nicht Gott", meinte ein Zuhörer. "Aber
in der Kirche geht es darum, Gott den Menschen näherzubringen."
Bischof Siebler zeigte sich
bei dieser Veranstaltung als ein Mann der Kirche, der Zuhören für
einen sehr wichtigen Aspekt der Glaubensvermittlung hält. Der Ruf
als immer gesprächsbereiter Partner war ihm bereits vorausgeeilt.
Trotz wohl unvermeidlicher Meinungsverschiedenheiten blieb Siebler an
diesem Abend präsent: Ohne jede Dogmatik scheute er sich nicht,
auch rein persönliche Meinungen, die er "noch nicht mit dem Heiligen
Vater durchdiskutiert" hatte, zu äußern.
Bischof Siebler hat 23 Jahre
lang im Konkreten erfahren, was Glaubensvermittlung bedeutet, welche
Schwierigkeiten sich dabei ergeben können. Seit er 1963 zum Priester
geweiht wurde, war er als Lehrer beziehungsweise als Erzieher tätig.
Aus seiner Sicht gibt es heute zwei Möglichkeiten, der Kirche zu
begegnen: "Wenn wir von der Kirche reden, dann in der dritten Person.
Gemeint ist dann die Amtskirche, "eine gigantische Organisation", eine
Großinstitution, die mit einer sehr hoch angesetzten Meßlatte
beurteilt wird", beschrieb Siebler eine mögliche Sichtweise. Die
andere: "Meine Kirche, in der ich lebe; Kirche als Lebensraum." Die
Vermittlung des Glaubens, so Siebler, könne heute nicht mehr durch
Weitergabe "eines geschnürten Paketes" erfolgen. "Glaube kann man
nur weitergeben, indem man ihn vorlebt." Doch wie? Das war die große
Frage für die Zuhörer.
Eine Frau meinte, die praktizierenden
Christen "schmoren doch im eigenen Saft". Die Bibel- und Gesprächskreise,
in denen man sich zu Problemen des Glaubens äußern könnte,
böten meist nur für immer dieselben Leute ein Forum. "Wir
müßten uns mehr nach außen öffnen", kritisierte
sie. Doch kann an dieser Abschottung nicht auch ein "zuviel an Theologie"
schuld sein? "Menschen suchen vor allem Mitchristen, nicht Pfarrer",
meinte ein Teilnehmer. Dem stimmte auch der Bischof zu. Gefordert sei
die Bereitschaft zuzuhören, ein offener Gesprächspartner zu
sein, nicht zu tabuisieren. "Und bei vielen Problemen ist es meist gar
nicht nötig aufzuzeigen, was die Kirche sagt."
Siebler weiß aber
auch, daß "viele schon allein unsere Sprache abschreckt". Vor
allem die Predigt in der Kirche komme bei jungen Leuten heute besonders
schlecht weg: "Im Vergleich zur Mediensprache ist das wohl schon fast
eine Fremdsprache!"
Vieles wurde angesprochen
an diesem Abend: Das Zölibat, dem viele nur noch mit Unverständnis
begegnen können; veraltete Methoden im Religionsunterricht oder
Ausgrenzungen, die die Kirche selbst vornimmt. Daß die Kirche
trotz Priestermangels weiterleben wird, dazu zeigte sich Bischof Siebler
sehr optimistisch: "Wahrscheinlich muß es so sein, daß etwas
starr ist, obwohl sich außenrum alles in Bewegung befindet. Dann
knirscht es erst einmal im Getriebe. Aber dann zündet es vielleicht
auch mal."

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