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Jahresthema
1991: Ist
die Erde noch zu retten?"
3.
Umwelt jetzt -
gibt es eine Zukunft aus Einsicht und Handeln ?
Wolfgang Deixler,
leitender Ministerialrat a. D
früher Abteilung Naturschutz im Umweltministerium
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Bericht
der Süddeutschen Zeitung vom 10.4.1991
Umweltschützer
zwischen Zweifel und Zuversicht
von
Uta Simon
Arnbach - "Umwelt
jetzt - gibt es eine Zukunft aus Einsicht und Handeln" - oder ist das
Volk zu dumm dazu, wie Alois Glück anläßlich des Volksentscheids
glauben machen wollte?
An dieser Frage, mit der
sich die Arnbacher Gesprächsreihe der Katholischen Landvolkbewegung
(KLB) nach einem beunruhigenden Referat von Wolfgang Deixler, leitender
Ministerialrat a. D., beschäftigte, schieden sich die Geister.
Aber ja, urteilte die eine Fraktion zuversichtlich, obwohl Deixler Dramatisches
über das explosionsartige Wachstum der Erdbevölkerung, den
rücksichtslosen Verbrauch an natürlichen Ressourcen, über
globale Umweltverschmutzung und Müllberge berichtete. Umweltschützer
seien wir doch alle schon dann und wann, meinte ein Diskussionsteilnehmer.
Es seien doch nur noch wenige hartnäckige Ignoranten, die ihre
Lebensmittel im Plastiktütchen statt im Einkaufskorb nach Hause
trügen, viele radelten auch wieder ab und an ins nächste Geschäft
und kauften im Winter nicht täglich frische Erdbeeren, weil die
im Flugzeug von Israel her verfrachtet werden müssen. "A bißl
mehr Geduld" müsse man aufbringen, fand eine Diskussionsteilnehmerin,
und auch Verständnis für diejenigen, die beim Einkaufen primär
den Geldbeutel und erst danach die Umwelt schonten. "Es gibt no gnua
Leut', die's Markl dreimal umdrehn müssen", betonte sie. Und, "sag'n
wir's mal bewußt provokativ", meinte schließlich auch noch
ein Diskutant, man müsse schon verhindern, daß auf der ganzen
Welt der westliche Lebensstandard herrsche.
"Mehr Geduld"
Der Referent machte in der
Diskussion jedoch unmißverständlich klar, daß seiner
Meinung nach bloße Randkorrekturen nicht mehr ausreichten, den
Bestand der Erde zu sichern. Dem Papst warf er vor, mit seinen Äußerungen
zur Geburtenregelung in der Dritten Welt "sein eklatantes Unverständnis
der prekären Situation gegenüber" gezeigt zu haben. "Es geht
um den lebensnotwendigen Versuch, die Werteordnung der Gesellschaft
umzuwandeln", mahnte er seine Zuhörer, das gelte gerade auch für
die Religion, die bisher kein "Ethos des Überlebens" entwickelt
habe. "Unumgänglich" sei eine Wende in der Chemiepolitik, und in
der Landwirtschart die Abkehr von Übermechanisierung und Überchemisierung.
Neue Steuersysteme seien zu gestalten, um den Bürgern auf allen
politischen Ebenen die Mitbestimmung zu sichern. "Der mündige Bürger
muß die Möglichkeit haben, notfalls auch einmal einzugreifen",
forderte Deixler. Nur auf Bürgerdruck sei letzten Endes ein neues
Müll-Gesetz entstanden oder, früher, der Naturschutz in der
bayerischen Verfassung verankert worden.
Zweifel an Einsicht
Über Bürger-Einsicht
und Politiker-Mut urteilte der Vorsitzende des Schwabhausener Gartenbauvereins
etwas skeptischer. "Kann die Demokratie tatsächlich leisten, was
nötig wäre", fragte Ernst Spiegel und sagte: "Es macht so
mutlos, wenn man sieht, wie alles am Gelde hängt, es macht Angst,
daß unsere Politiker wirklich erst dann handeln, wenn's anders
nicht mehr umgeht." Eine freiwillige Abkehr von der Ideologie der Gewinn-Maximierung
- undenkbar für Spiegel. Bedrückendes Fazit am Ende: Die bisherige
Einsicht hat die Umwelt noch nicht gerettet, die Erde ist in den letzten
Jahren keineswegs schöner geworden, "die Armen drängen vor
unserer Tür, weil sie ins Paradies wollen", so Deixler. Und Hildegard
Mayerhofer von der KLB meinte in ihrem Schlußwort: "Druck muß
sein. Erschrecken soll bleiben."
von
Uta Simon

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