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Jahresthema
1997: Wege zum Heil oder heillose Verwirrung
3.
Selbsterlösung
oder Selbstzerstörung
Referent Hans
Liebl
am 12.März 1997
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Zum
dritten Abend der Arnbacher Gespräche des Katholischen Landvolks
Dachau kam der Sektenbeauftragte der Erzdiözese München/Freising,
Hans Liebl. Selbsterlösung oder Selbstzerstörung, war
die Frage dieses Abends. Wie sollen wir mit falschen Heilserwartungen
umgehen? 27 Teilnehmer hatten sich wieder im Arnbacher Pfarrhaus
eingefunden.
Die
Sekten haben soviel Zulauf, weil sie in der Gesellschaft die Voraussetzungen
dafür finden: Eine Einstellung der Machbarkeit, ein unrealistisches
Menschenbild, das keine Schwächen anerkennt und eine Weltanschauung,
die das Werk der eigenen Hände verehrt. Wir haben die Sekten,
die wir verdienen, folgerte Liebl. Dabei sind viele Menschen für
Sekten anfällig: Beeinflußbare Menschen, vertrauensvolle,
konfliktscheue; Menschen, die vom Urteil anderer abhängig sind,
die auf den großen Sprung nach vorne hoffen, die Selbsterfahrung
suchen, die durch Bildhaftes geprägt sind, Menschen, die schnell
eine religiöse Antwort suchen, weil sie keine Zeit haben für
eine Durststrecke. Es sind Verhaltensweisen, die im Grunde bei jedem
zu finden sind. Betroffen sind oft Frauen in der Lebensmitte.
So
gibt es auch für Sekten keine bestimmte Definition, sondern die
Sekten suchen sich ihre Leute nach diesen unterschiedlichen Charakterstrukturen.
Aber einige gemeinsame Merkmale gibt es: Sekten haben eine Lehre,
die auf alle Probleme eine fertige Antwort gibt; sie bieten eine Scheinrealität,
bei der alles klar in schwarz-weiß eingeteilt werden kann. In
ihrem elitären Denken gibt es nur einen Weg zum Heil. Sie fordern
Unterwerfung bis hin zur psychischen Vereinnahmung, z.B. durch Furcht-
und Schuldgefühle, durch Informationskontrolle und Feindbilder,
durch genaue Anweisungen, was getan werden darf oder auch indem sie
abwechselnd Hochgefühl und Depression erzeugen. Dies kann soweit
gehen, daß bestimmte Körperhaltungen verlangt werden, bestimmte
Gedanken verboten sind, Gefühle verdrängt werden oder die
Bedeutung von Wörtern verändert wird. Da auf diese Weise
eingetrichtert wird, daß ja alles klar sei, wird ein Totaleinsatz
verlangt, der keine freie Zeit mehr läßt. Sekten suchen
den Ruinpunkt in den Menschen.
Wie
kann die Kirche reagieren? Es reicht nicht, sich einzuschließen
und auf bessere Zeiten zu hoffen oder sich irgendwie anzubiedern "das
haben wir auch" oder gar aggressiv gleichsam an eine Wiedereroberung
zu denken. Offensiv soll die Kirche schon sein, aber vor allem durch
das religiöse Gespräch. Dabei muß die christliche
Lehre ein Dialog sein zwischen dem, was in der Bibel geschrieben ist
und wie es heute zu sagen ist, sodaß es für heutige Menschen
verständlich wird. Dabei ist zu bedenken, daß Glaube nicht
vom Gehorsam kommt, betonte der Referent, sondern vom Hören.
Und hören setzt einen Dialog voraus; es muß auch innerkirchlich
ein kritisch-offenes Gespräch geben, ein zeitgemäßes
Sprechen. Erfahrungsfelder des Vertrauens sollen in der Kirche entstehen,
wo die Kirche auch anerkennt, daß der Mensch schuldfähig
ist. Wer da mit Furcht und Angst arbeitet, nimmt den Menschen nicht
ernst. Es muß vielmehr die Erfahrung wachsen, daß die
Menschen in ihren Sorgen und ihrem Suchen von der Kirche begleitet
werden. Sie sollen Gott als Quelle unserer Freiheit erfahren und den
Nächsten als ebenbürtigen Partner. Unter solchen Voraussetzungen
finden die Sekten wenig Nährboden.
Als
die vielen Informationen die Zuhörer fast überforderten,
ermutigte der Referent, man solle doch seinem eigenen gesunden Menschenverstand
eine Menge zutrauen und dann falle man kaum in die Sektengefahr.
Alois
Igelspacher

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