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Jahresthema
1999: Der
Starke gewinnt, welche Chancen hat der Schwache?
1.
Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer
Referent Prof.Albert Keller SJ,
Philosophische Hochschule München
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Zum 1.Abend: Barmherzigkeit
will ich, nicht Opfer sind 45 Teilnehmer in den Arnbacher Pfarrhof
gekommen, um mit dem Jesuitenpater Prof.Albert Keller von der
Philosophischen Hochschule München über dieses Wort aus
dem Alten Testament zu diskutieren.
Opferkulte hat es in allen Religionen
gegeben. Aber warum sollte man opfern, meinte Keller, schließlich
gehört Gott ohnehin alles. Warum sollte man das Beste für
ihn z.B. verbrennen, gewissermaßen vernichten? Darum sei
es auch eine falsche Einstellung, von einem Opfer- und Sühnetod
Jesu zu sprechen. Jesus wollte sein Volk für das menschenfreundliche
Reich Gottes gewinnen, also dafür, daß die Menschen
ihr Leben für die Mitmenschlichkeit einsetzen. Diesen Weg
ist Jesus konsequent gegangen und so mit den Mächtigen
in Konflikt geraten: darum schlugen sie ihn ans Kreuz. Darum
wäre es auch eine Fehlform des Christentums, betonte Keller,
für sich Frömmig-keitsübungen zu machen, statt
sich dem Mitmenschen zuzuwenden.
Barmherzigkeit nämlich heißt,
bei den Armen sein Herz haben. Dabei muß es nicht nur
um finanzielle Hilfe gehen, sondern auch um ein verständnisvolles
Wort, um Zeit haben für andere.
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Oft kann man auch nicht
anders helfen als durch Mitleiden. Aber auch da warnte Keller vor
einer verbogenen christlichen Tradition, dem Sühneleiden. Gott
ist nicht leidenslüstern, hob er hervor, man könne Gott
nicht mit Leid bezahlen, Gott ist für Leben und Freude. Deshalb
sollten wir uns auch durch Leid nicht davon abbringen lassen, Freude
zu verbreiten. Auch in benachteiligten Situationen sollen wir anderen
das Leben gönnen. Barmherzigkeit statt Opfer fordert uns aber
noch stärker heraus. Denn, führte der Referent aus, wer
immer jedem Wunsch nachgibt, wer nie gelernt hat zu verzichten, hat
kein Herz für andere. Nächstenliebe fordere Verzicht, oder
mit anderen Worten: wer liebt, setzt sich dem Leid aus. Wer an nichts
sein Herz hänge, umgehe das Leid. So sei es auch zu verstehen,
wenn viele sich nicht mehr fest an einen anderen binden können:
weil es Opfer kosten könnte, liebt man lieber nicht. Man will
sich selbst verwirklichen und denkt nur an sich selber."Aber wenn
du dich selbst verwirklichen willst, stell dich auf andere ein!"
Barmherzigkeit geht also
weit übers Almosengeben hinaus, faßte Keller zusammen,
nämlich Strukturen so zu ändern, daß Benachteiligte
leben können, daß kommende Generationen noch auf dieser
Erde leben können. Bei aller Notwendigkeit, Leistung zu bringen,
sollte man wissen, daß uns Leistungsfähigkeit und Leistungskraft
dazu geschenkt ist, anderen zu nützen. Die eigene Erhabenheit
zählt nichts vor Gott. Keller appellierte zum Schluß daran,
nicht nur die materiellen, renditeträchtigen Qualitäten
der Menschen zu betonen, sondern vor allem den Wert mitmenschlicher
Leistungen hervorzuheben. Da würden hohe Ansprüche an uns
gestellt, meinte eine Teilnehmerin nach einer regen Diskussion. Die
Teilnehmer nahmen sicher viel zum Nachdenken mit heim.
Alois Igelspacher

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