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Jahresthema
2001: Alles
hat seine Zeit
2.
Vom
Tempo der Welt - Immer schneller ! Immer besser ?
Referent Prof.Dr.
Karlheinz A.Geißler
Universität der Bundeswehr, Neubiberg
Donnerstag, 15.Februar 2001
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Bericht
Süddeutsche Zeitung -
Bericht Münchner Merkur
Karlheinz Geißler beim Arnbacher Gespräch über das "Tempo
der Welt
Im Zeitalter der Gleichzeitigkeit
Von Christa Fünffinger,
Süddeutsche Zeitung
Arnbach - Die
Zeiten ändern sich: Wer vor 600 Jahren wissen wollte, wie spät
es ist, orientierte sich an der Sonne. Mit der Einführung der
Räderuhr wurde die Zeit mehr und mehr standardisiert und mit
ihr der Mensch. Jetzt steht eine neue Zeitordnung bevor: Organisation
und Flexibilität heißen ihre Maximen. Das zumindest meint
Professor Karlheinz Geißler. Der Sozialwissenschaftler stellte
seine Thesen "Vom Tempo der Welt ? Immer schneller! Immer besser?"
am Donnerstagabend beim zweiten der drei Arnbacher Gespräch
vor. Die rund 40 Zuhörer dürften sich gut unterhalten
haben. Denn der Professor, der an Universität der Bundeswehr
Neubiberg Wirtschaftspädagogik unterrichtet, lockerte seine
Reise durch die Zeit mit launigen Geschichten und Analysen von Werbebotschaften
("Ein Salat besiegt die Zeit") auf. |
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Tempo
im Kuhstall
Arnbach - Das
Verständnis von Zeit und die Krise in der Landwirtschaft
mit BSE und Medikamenten?Skandal haben nach Ansicht von Professor
Karlheinz Geißler durchaus miteinander zu tun. Auch in der
Tiermast spiele Zeit eine wichtige Rolle: "Das Tempo der Welt
finden Sie nicht nur auf der Autobahn, sondern auch im Kuhstall.
" Geißler versuchte das mit einer Statistik zu belegen.
Im Jahr 1900 habe es im Durchschnitt elf Monate gedauert, um ein
Schwein auf 100 Kilo Gewicht zu mästen. Heute seien es im
Schnitt viereinhalb bis fünf Monate. "Dass das Probleme verursacht,
liegt auf der Hand", sagte Geißler, der mit anderen ein
Buch zur Ökologie der Zeit in der Landwirtschaft herausgegeben
hat.Eine Besucherin wertete die Äußerungen allerdings
als Angriff auf die Landwirte.
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Geißler stellte drei Zeitordnungen
vor. Der Sonnenuhr als Symbol für die Natur, die den Tagesablauf
und den Lebensrhythmus der Menschen beherrschte, folgte die Räderuhr."Die
Klöster sind die ersten, die Zeit organisiert haben", sagte
Geißler.
Aus dem natürlichen Rhythmus
von Tier und Mensch wird zunehmend ein unnatürlicher Takt.
Und der wird immer schneller. Paradebeispiel dafür ist die
Stechuhr.
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"Die Natur wird immer mehr
mit Takt belastet, deshalb haben wir ökologische Probleme",
meint Geißler. Das mache die Natur nicht mit.
"Der Herzinfarkt ist ein
Zeitinfarkt", nannte der Professor als Beispiel. (Siehe
auch Kasten) Der Mensch, der über die Zeit standardisiert
worden sei, sei heute das Problem für die Wirtschaft.
Auf dem Weg von der Industrie? in die Dienstleistungsgesellschaft
zähle deshalb Flexibilität.
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"Zeitorganisation wird immer wichtiger",
ist eine weitere These Geißlers. Grund dafür sei auch
die Entwicklung immer schnellerer technischer Geräte.
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Seiner Meinung nach wird der Stress der
Zukunft nicht in der Arbeit selbst bestehen, sondern im Zwang viele
Dinge gleichzeitig ? und nicht zu den bisher üblichen Arbeitszeiten
? organisieren zu müssen
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Die Familie hält der Professor
vor diesem Hintergrund für ein Auslaufmodell. "Das Internet
kennt keine Zeitstruktur. "
Wie die Zeit sozusagen wieder langsamer
werden kann, interessierte Zuhörer in der Diskussion. Verzicht,
meinte der Professor, sei dafür notwendig: "Zeitnot ist der
Preis für den Güterwohlstand."
Und auf die Frage nach einem Rezept,
wie man mit Zeit sinnvoll umgehen sollte, empfahl Geißler
die Entdeckung der Langsamkeit im täglichen Tun und den Versuch,
auch Mal ohne Uhr zu leben.
Managern rät er außerdem:
"Verkaufen Sie ihr Auto und ihren Fernseher, dann haben Sie Zeit."
Karl-Heinz Geißler starb am 9.11.2022 im Alter von 78 Jahren.
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Süddeutsche Zeitung, Dachauer SZ
vom 17.2.2001
Vom
Tempo der Welt - Prof.Dr. Karlheinz Geißler bei den Arnbacher
Gesprächen
Unbehagen über
den Lauf der Zeit
Münchner Merkur, Dachauer
Nachrichten vom 24./25.2.2001
Dachau(red)
Wer vor 60 Jahren wissen wollte, wie spät es ist, orientierte
sich ander Sonne. Mit der Sonnenuhr wurde die Zeit bestimmt bei
Tag und bei schönen Wetter. Erst mit der Erfindung der Räderuhren
wurde die Zeit in den Takt von Stunden und Sekunden unterteilt.
Früher sah man nach oben zur
Sonne, um die Tageszeit abzuschätzen, heute blickt man nach
unten auf die Uhr am Handgelenk. In Zukunft wird vom Menschen
Flexibilität und Gleichzeitigkeit erwartet.
Diese Thesen stellte Karlheinz
Geißler beim zweiten Arnbacher Gespräch auf. Der Professor
an der Uni der Bundeswehr sprach vor etwa 40 Zuhörern über
das ,,Tempo der Welt, immer schneller, immer besser?"
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Vor der Erfindung der Räderuhren
wurde die Erde als Scheibe betrachtet, das Leben orientiert sich an.
Rhythmus der Natur, der Jahreszeiten, dem Wechsel von Tag und Nacht.
Dei Mensch war weitgehend Teil der Natur. Der moderne Mensch weiß,
dass die Erde eine Kugel ist. Jeder verfügt über eine Uhr.
Industrielle Abläufe geben den Takt, in dem der Mensch arbeitet
und lebt.
Dieser Takt ist weitgehend
von natürlichen Prozessen unabhängig, ja er belastet die Natur
teilweise erheblich. Der Mensch wird über den Zeittakt standardisiert.
Eine typische Redensweise der 50er Jahre lautete ja "nimm Dir Zeit und
nicht das Leben!" Im Zeichen des Handy und der weltweiten Vernetzung
über Internet ändert sich wieder die Einstellung zur Zeit.
Nicht mehr nacheinander sollen Handlungen vollzogen werden, sondern
gleichzeitig. Autofahren und telefonieren, Fernsehen und e-mails austauschen,
Freizeit und Telearbeit, arbeiten und lernen. Rund um die Uhr ist gefragt.
Eine große Bank wirbt mit dem Slogan, Menschen von Raum und Zeit
zu befreien. Es soll immer alles möglich sein. Pünktlichkeit
ist nicht so wichtig, wenn man Tag und Nacht einkaufen, arbeiten, genießen
kann. Um vieles gleichzeitig erledigen zu können, muss die Zeit
verdichtet werden. Es entsteht Stress, weil die Zeit noch mehr organisiert
werden muss.
Im Gespräch mit dem
Referenten zeigte sich aber auch ein gewisses Unbehagen bei dieser Entwicklung.
Ein Rezept gegen dieses Unbehagen: Bewusster Verzicht auf einen Teil
der vielfältigen Möglichkeiten und die selbstbewusste Auswahl
aus den vielfältigen Angeboten unserer vernetzten Wirtschaft und
Gesellschaft.
Der dritte Abend der Arnbacher
Gespräche findet am Mittwoch, 7. März, 19.30 Uhr statt. Es
spricht Dr. Hubert Klingenberger, Bildungszentrum Freising, Domberg,
zum Thema "Zeit schenken, Zeit verschwenden Mein Umgang mit der
Zeit".

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