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Jahresthema
2011: Im
Takt - intakt
3. Der Sonntag - eine Atempause für die Gesellschaft
Charles
Borg-Manché, Landespräses der KAB in Bayern
Dienstag 15. März 2011
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"Es hängt von
uns ab, ob der Sonntag eine Atempause für die Gesellschaft
ist." So nahm der Referent die Zuhörer des dritten Arnbacher
Gesprächsabends des katholischen Landvolks mit ins Boot.
Borg-Manché zeigte
zunächst die Aushöhlung des arbeitsfreien Sonntags in
den vergangenen 15 Jahren auf:
1994 gab es nach einer Gesetzesänderung 5000 Sondergenehmigungen
für die Sonntagsarbeit in der Industrie. Ab 1996 wurde der
Sonntagsverkauf in Bäckereien erlaubt, obwohl gerade die
kleineren Bäckereien dagegen waren. Seit 13 Jahren sind die
Wertpapierbörsen im Zuge der Euroeinführung auch an
gesetzlichen Feiertagen geöffnet. Vor 5 Jahren wurde der
sonntägliche Betrieb von Autowaschanlagen durch die bayerische
Staatsregierung zugelassen.
In der Föderalismusreform 2006 wurden die Bundesländer
für den Sonntagsschutz zuständig. Damit begann ein Wettbewerb
bei der Aushöhlung des Sonntagsschutzes zwischen den Bundesländern
und den einzelnen Gemeinden. Dies führte letztlich dazu,
dass ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2009 vier
aufeinanderfolgende verkaufsoffene Adventssonntage in Berlin verbot.
Gleichzeitig stellte das Urteil die Bedeutung des Sonntags für
unsere Gesellschaft besonders heraus. Mehr zu diesem Gerichtsurteil.
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der Referent
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Der
Sonntag dient laut Grundgesetz der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe.
In dieser Funktion ist der Sonntag auch nicht teilbar.
Der Schutz des Sonntags dient
damit auch gleich der Wahrung mehrerer Grundrechte, wie der Versammlungsfreiheit,
der Menschenwürde, der Förderung von Ehe und Familie und der
Religionsfreiheit.
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Ein arbeitsfreier
Sonntag gib den Menschen Gelegenheit zur Erholung, zum Feiern,
zur Besinnung, zur Religionsausübung und die Freiheit und
Würde mit seiner Zeit selbstbestimmt umzugehen.
Zudem ist Sonntagsarbeit
mit mehr Risiko für Unfälle gekoppelt und atypische
Arbeitszeiten belasten gerade Familien mit Kindern.
Mit der Einhaltung des Sonntags zeigt die Gesellschaft, ob sie
eine Pausenkultur hat.
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Die
verfassungsgemäße Gestaltung des Sonntags ist ein öffentliches
Anliegen. Natürlich gibt es Tätigkeiten, die auch am Sonntag
erforderlich sind, beispielsweise in Krankenhäusern, in Verkehrsmitteln
oder Gasthäusern und niemand will diese Arbeiten verhindern.
Aber die Ausnahme
am Sonntag zu arbeiten sollte nicht zur Regel werden, sonst ist
der Sonntag keine Atempause mehr.
In den vergangen 15 Jahren hat in Bayern die Zahl der Sonntagsarbeiter
um eine halbe Million auf 1,8 Millionen zugenommen und die Zahl
der verkaufsoffenen Sonntage stieg von 1200 auf 2000.
Zum Schutz des Sonntags
stellte der Referent einen Katalog mit Forderungen an den Staat
und an die christlichen Kirchen auf.
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Eine Möglichkeit ist die Bildung von
weiteren Allianzen für den Freien Sonntag. 44 solche regionale Allianzen
gibt es in Bayern bereits. Dort haben sich Menschen und Organisationen
zum Schutz des Sonntags vor weiterer Kommerzialisierung zusammengetan.
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Entscheidend ist jedoch das künftige
Verhalten und die Einstellung der Bürger zum Sonntag.
Ihre Sonntagsgestaltung und ihre
Wertschätzung einer sonntäglichen Atempause werden über
die weitere öffentliche Behandlung des Sonntags entscheiden.
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Werner Götz
Bilder: Alfred Bayer
Ankündigung
der Arnbacher Gespräche 2011 in der Presse
Zum
1.Gespräch 2011
Zum
2.Gespräch 2011

Was folgt aus dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1.12.2009?
7 Hebel für einen besseren Sonntagsschutz
"Der Sonntag und die staatlich
anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen
Erhebung gesetzlich geschützt." Diesen aus Weimarer Zeit stammenden
Artikel unseres Grundgesetzes, den manche nur noch für Verfassungslyrik
hielten, brachten die Verfassungsrichter am 1. Dezember 2009 mit ihrem
viel beachteten Urteil über die Berliner Sonntagsöffnungen
zu neuer Geltung. Die vier aufeinander folgenden verkaufsoffenen Adventssonntage
wurden für verfassungswidrig erklärt. Doch welche weiteren
Konsequenzen wird das Karlsruher Urteil haben? Der Richterspruch bietet
in seiner ausführlichen Begründung gute Hebel, den Sonn- und
Feiertagstagsschutz auch in Bayern und anderen Teilen Deutschlands wieder
zu stärken. Diese Hebel müssen nun auch politisch genutzt
werden.
1. Sonntagsschutz ist Grundrechtsschutz!
Die Bedeutung des freien Sonntags ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
aufgewertet worden. Im Sonn- und Feiertagsschutz konkretisieren sich
dem Gericht zufolge verschiedene Grundrechte wie das der Religionsfreiheit,
der körperlichen Unversehrtheit, des Schutzes von Ehe und Familie
oder der Vereinigungsfreiheit. Darin, dass Sonn- und Feiertage dem ökonomischen
Nutzendenken eine Grenze ziehen und dem Menschen um seiner selbst willen
dienen, sehen die Verfassungsrichter einen Bezug zum höchsten Verfassungsgut:
der Menschenwürde.
2. Ausnahmen dürfen nicht
zur Regel werden!
Ausnahmen von der Sonntagsruhe müssen laut Bundesverfassungsgericht
als solche erkennbar bleiben. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis darf
somit nicht auf den Kopf gestellt werden, wie etwa bei der pauschalen
Öffnung an allen Adventssonntagen. Dieses Verhältnis ist nach
dem Urteil aber auch für andere Ausnahmen - etwa Kur- und Ausflugsorte-Regelungen,
die Sonntagsverkauf fast rund ums Jahr ermöglichen - kritisch zu
überprüfen.
3. Jede Ausnahme bedarf eines
öffentlichen Interesses!
Sonntagsöffnungen im Einzelhandel müssen im öffentlichen
Interesse stehen. Dieses muss umso bedeutsamer sein, je umfangreicher
die Verkaufsveranstaltungen sind. Ein bloßes "Shopping- Interesse"
von Kunden oder ein wirtschaftliches Interesse von Händlern rechtfertigen
dagegen laut Bundesverfassungsgericht keine verkaufsoffenen Sonntage.
Der größte Teil der sonntäglichen Shoppingevents - in
Berlin ebenso wie in Bayern - ist aber nach Beobachtung der Sonntagsallianz
ganz offen kommerziell motiviert und muss daher neu in Frage gestellt
werden. Auch Ausnahmen für Sonntagsarbeit in anderen Branchen sind
darauf zu überprüfen, ob sie nicht bloßem Profitkalkül
folgen und damit verfassungswidrig sind. Und womit könnte ein Sonntagsshopping
überhaupt begründet werden? Diese Frage lässt das Urteil
offen. Das "Versorgungsinteresse der Bevölkerung" kann als Begründung
angesichts nicht vorhandener Notlagen und langer werktäglicher
Öffnungszeiten in der Regel kaum überzeugen.
4. Shopping dient nicht der
seelischen Erhebung!
Die Behauptung, Shopping selbst diene der seelischen Erhebung und stehe
deshalb nicht im Widerspruch zum Sonntagsschutz, ist mit dem Verfassungsurteil
zurückzuweisen. Einkaufen ist eine werktägliche Tätigkeit.
Einkaufsevents beeinträchtigen die Sonn- und Feiertage sogar doppelt,
da sie besonders viele Beschäftigte betreffen und zugleich den
öffentlichen Charakter des Tages verändern.
5. Der Sonntagsschutz gilt
24 Stunden lang!
Der freie Sonntag lässt sich nach dem Urteil nicht mehr in schützenswerte
und weniger schützenswerte Abschnitte unterteilen. Mit der bloßen
Schonung der üblichen Gottesdienstzeiten muss man sich nicht zufrieden
geben. Der ganze Tag genießt laut Bundesverfassungsgericht eine
staatliche Schutzgarantie.
6. Das Grundgesetz schützt
bewusst den Sonntag als Ruhetag!
Die Verfassung nimmt mit dem Schutz der Sonn- und Feiertage eine Wertung
vor, die auch in der christlich-abendländischen Tradition wurzelt.
Der freie Sonntag kann nicht mit dem Verweis auf die Feiertage anderer
Religionen in Frage gestellt werden.
7. Sonntagschutz ist eine Staatsgarantie,
die sich einklagen lässt!
Mit der Zulassung ihrer Verfassungsbeschwerde sind die Klagemöglichkeiten
der Kirchen vor den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichten auch künftig
erweitert worden. Dies gilt ebenso für andere Grundrechtsträger
wie etwa einzelne Beschäftigte oder Gewerkschaften.

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